Allein in Deutschland werden täglich etwa vierzig Badewannen vollgeweint
- die meisten abends zwischen 19 und 22 Uhr, errechneten Statistiker,
also genau dann, wenn die Menschen ihre Körper pflegen. Gut so, nicht
nur dass sie um Sauberkeit bemüht sind, sondern dass sie weinen.
Denn "Tränen sind die Perlen der Seele", sagt die Braunschweiger
Psychologin Edeltraud Clemens-Schmeichler. "Sie sind Ausdruck von
Gefühlen - wohl dem, der sie in unserer kalten Welt noch hat und
zeigt."
Und das tun Frauen, die einzig herzenswarmen Wesen auf dieser nicht allein
kalten, schon eher ziemlich arschkalten Welt, sieht man von der unbezweifelbaren
Tatsache ab, dass ausschließlich Frauen sogar unter der Bettdecke
an frostigen Füßen leiden und dauernd darüber klagen,
im Durchschnitt zwölfmal häufiger als Männer, die dazu
recht eigentlich keinen Grund hätten. Zugegeben, klagen ist nicht
das gleiche wie weinen, aber die Frauen, sie sind tatsächlich Heulsusen.
Männer, denen das ewige Gejammere auf die Nerven geht, entlarven
sich dagegen als Menschen, die Angst vor Gefühlen haben. Und vor
den Frauen. Deren Tränen sind auch um ein halbes Grad wärmer
als Männertränen, fließen deshalb auch schneller und zielgerichteter.
Den Grund fand der amerikanische Biochemiker Dr. William Frey heraus,
der an der Universität von Craiova vor fünfzehn Jahren ein Tränenlabor
eingerichtet hat: Männer haben erheblich weniger Prolaktin als Frauen.
Prolaktin ist ein Hormon, das Mädchen von der Pubertät an erzeugen.
Und die beginnt bekanntlich immer früher. Prolaktin regt später
unter anderem die Milchdrüsen in der Schwangerschaft an, stimuliert
aber zugleich die Tränendrüsen, baut Stress ab. Schon fünfzig
Tränen (ein kümmerliches Schluchzen von ein bis zwei Minuten)
reduzieren Stress und Traurigkeit um vierzig Prozent! Das macht bei zweihundert
Tränen (ein Heulanfall von jämmerlichen vier bis acht Minuten)
eine Reduzierung von hundertsechzig Prozent! Was Stress betrifft, ist
man dann quasi im roten Bereich und wahnsinnig belastungsfähig.
Deshalb ist Weinen der "Hausputz für die Psyche", so Edeltraud
Clemens-Schmeichler. "Nach einem Weinanfall fühlt man sich immer
wie befreit." Aber auch der Körper profitiert davon. Tränen
enthalten nämlich zusätzlich Leuzin-Enkophalin, einen schmerzlindernden
Stoff (ähnlich wie Morphium), rechtsdrehende Milchsäuren, LC1
und Lysozyme. Das sind antibakterielle Eiweißstoffe zur Infektionsabwehr.
Sie schützen Atemwege, Magen und Darm, können sogar - meinen
Experten - Asthma und Herzflattern vorbeugen.
Außerdem sind Tränen notwendig, damit die Augen nicht austrocknen.
Bei jedem Blinzeln bildet sich ein feuchter Film auf der Augenoberfläche,
hält sie bakterienfrei, und das Lid kann darüberrutschen. Hoppla!
Ohne ihn hätten wir das Gefühl, Sandkörner so groß
wie Rumkugeln seien uns ins Auge geraten. Das wäre eine Schmiererei!
Im Laufe seines Lebens produziert ein Mensch allein für diesen Film
rund siebzig Liter Tränen. In Tankwagen gesammelt wird die Flüssigkeit
in die Fernsehanstalten gebracht, die jene gleich in mehrere Seifenopern
mixen. Und es werden immer mehr. Heizungsluft aber kann im Winter die
Flüssigkeit austrocknen. Am besten zum Augenarzt gehen: Er verschreibt
dann zum Eintropfen Kunsttränen, die von bedeutenden Künstlern
wie Tränenreich Hundertwasser, um nur einen Namen zu nennen, gestaltet
werden.
Aber wir wissen: Peinsack ist nicht gleich Peinsack und Träne ist
nicht gleich Träne: Nur wer richtig weint - aus Freude, Kummer, Zorn
oder Mitgefühl -, weint auch gesund. Krokodilstränen, die absichtlich
herausgedrückt werden (Frauen können so gut damit erpressen!),
oder Tränen beim Zwiebelschneiden nützen gar nichts! Sie bestehen
nur aus Wasser und etwas Fett, das man gleich zum Anbraten verwenden sollte.
Die Salze, die die wichtigen Stoffe binden, fehlen dabei völlig.
Doch - worüber weint der Mensch? Auch hier haben die Statistiker
eine Antwort: Die Hitliste: achtunddreißig Prozent aus Trauer, sechzehn
Prozent aus Wut, fünfzehn Prozent aus Kummer, vierzehn Prozent aus
Rührung, zwölf Prozent aus Verzweiflung, aber nur acht Prozent
aus Freude, sechs Prozent aus Mitleid und vier Prozent aus Angst. Macht
zusammen einhundertdreizehn Prozent oder so. Das ist nicht weniger als
nichts, das ist mehr als genug.
Oops, endlich kommt die Sonne raus und trocknet alle Tränen. Heute
schon gelacht? Nein? Dann aber schnell. Lachen ist die beste Medizin.
Und sie kostet so wenig. Sie kostet nur mehr als ein Lächeln. Lachen
ist gesund, denn dabei gelangt viermal mehr Sauerstoff in den Körper
als bei normaler Atmung. Die leeren Flaschen bringen wir nachher weg und
kriegen sogar das Pfand zurück.
(Nach einem Artikel in der Bild am Sonntag)
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